Habt keine Angst!

Als Missionare / Missionarinnen
auf Zeit in die Welt


Jedes Jahr machen sich junge Menschen als Missionare und Missionarinnen auf Zeit (MaZ) auf den Weg in ein fremdes Land, um dort ein Jahr lang in sozialen Projekten verschiedener Ordensgemeinschaften mitzuleben, mitzuarbeiten und mitzubeten. Die Autorinnen waren selbst als „MaZ“ im Ausland. Mittlerweile koordinieren und begleiten sie die Freiwilligeneinsätze, die von den Franziskanerinnen Salzkotten getragen werden. Sie wissen, welche Herausforderungen die Freiwilligen und die Entsendeorganisationen zu bewältigen haben.

 

„Habt keine Angst“ – keine Angst vor Tropenkrankheiten, vor Heimweh, vor einer fremden Sprache, vor Einsamkeit, vor Nicht-verstanden-werden, vor einer 100-köpfigen malawischen Schulklasse oder vor PatientInnen in einem indischen Hospiz.

 

Die Aussicht darauf, 365 Tage in einem so ganz anderen Land zu leben, mit Menschen umzugehen, deren Sprache man nicht spricht, deren Umgangsformen fremd sind, konfrontiert mit einer Aufgabe, auf die das Abitur nicht vorbereitet hat, bietet viele Anlässe, sich zu sorgen.

Aber auch schon vorher: das erste Bewerbungsgespräch, das Kennenlernen einer Gruppe von knapp zwanzig fremden Menschen, die das gleiche Ziel haben, nebenher das Abitur bestehen oder das Ende von Ausbildung oder Studium meistern… Überall und immer wieder fordert die Idee, sich ein Jahr lang als MissionarIn auf Zeit zu engagieren, diese jungen Menschen heraus.

„Habt keine Angst“ – auch wir als Entsendeorganisation werden durch die jungen Leute gefördert und gefordert: keine Angst vor dem Heimweh unserer Schützlinge, vor Konflikten, vor Beschwerden der Partnerorganisationen oder der Eltern.
Der Weg, den die MissionarInnen auf Zeit mit uns gehen, ist lang. Fast zwei Jahre lang begleiten wir sie und die Projekte, in denen sie leben und arbeiten. In mehreren Vorbereitungsseminaren behandeln wir alle Inhalte, die für die Freiwilligen während ihrer Zeit im Ausland wichtig sind, begleiten sie währenddessen, organisieren ein Seminar in der Mitte ihres Einsatzes, begleiten auch die Rückkehr und das Wiederkommen nach Deutschland.
Und auch wir stolpern immer wieder über unsere Angststricke. Alle unsere Freiwilligen haben ihr Päckchen zu tragen. Werden sie die Vorbereitung und die Einsatzzeit durchhalten oder müssen wir gemeinsam einen anderen Weg suchen? Bekommen sie alle das Visum für ihr jeweiliges Einsatzland? Schaffen wir es, ihnen das Werkzeug, das sie für ihren Einsatz brauchen, in der Vorbereitung an die Hand zu geben?

Auch unsere Partnerorganisationen vor Ort, die ein Jahr lang jeden Tag mit den MissionarInnen auf Zeit zusammenleben, haben Angst. Angst davor, dass die jungen Leute sich nicht wohl fühlen; dass sie sich nur schwer in die neue Kultur einfühlen können; dass ihnen, wenn sie anfangs noch unbedarft in einem neuen Land herumstolpern, etwas passiert.


Angesichts all dieser Herausforderungen scheint die Aufforderung „Habt keine Angst“, ein extrem hoher Anspruch an Selbst- und Gottvertrauen zu sein. Und es ist auch nicht der Anspruch, den wir an unsere MaZ stellen. Im Gegenteil: Egal, ob im Bewerbungsgespräch, in der Vorbereitung, bei verzweifelten Telefonaten – immer wieder sagen wir, dass es ganz normal ist, Angst zu haben und an den eigenen Plänen zu zweifeln. Und wir stellen immer wieder fest, dass nur wenige Momente so von Erleichterung geprägt sind, wie jener im ersten Vorbereitungsseminar, wenn die Freiwilligen erkennen, dass alle anderen ähnliche Ängste fühlen. Alle haben großen Respekt, zum Teil aber auch tatsächlich Angst vor dem, was da auf sie zukommt. Was also brauchen unsere MissionarInnen auf Zeit für ihren Dienst? Wie gehen wir mit diesen Ängsten um?

Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung unterstützt die Freiwilligendienste finanziell mit dem Programm „weltwärts“ und benennt in diesem Kontext Themen, mit denen sich die Freiwilligen in ihrer Vorbereitung auseinandersetzen müssen. Das sind zum Beispiel Gesundheitsvorsorge, interkulturelle Kompetenz, Globales Lernen, Konfliktmanagement und kulturspezifisches Länderwissen. Kenntnisse in diesen Bereichen können ein erster Schritt sein, Ängste zu überwinden. Doch es gehört noch mehr dazu.

Schon während der Vorbereitung erfahren die jungen Leute, dass es ein großes Beziehungsnetz gibt, das sie auffängt. Mit den anderen in der Vorbereitung, mit dem ehren- und hauptamtlichen Team, den Ordensschwestern, ihren Familien und Freunden stehen jedem und jeder einzelnen viele Menschen zur Seite, die sie durch die Angst hindurchtragen.
Es gehört zu den Herausforderungen eines solchen Einsatzes, in einer völlig neuen Umgebung Beziehungen aufzubauen und sich ein zweites Netz vor Ort zu schaffen, das in schwierigen Zeiten trägt. Es braucht Zeit, aber schließlich kommen doch alle Freiwilligen in ganz unterschiedlicher Art und Weise bei den Menschen im Einsatzland an und finden dort eine neue Heimat, eine neue Familie. Dazu gehören natürlich auch Konflikte, zum Beispiel aufgrund der unterschiedlichen Vorstellungen von Beziehungen und Gemeinschaft. Dann kann das gemeinsame Suchen nach einer Lösung dazu dienen, die Beziehungen zu stärken, und helfen, mit der eigenen Angst umzugehen. „Habt keine Angst“ bedeutet bei uns nicht, niemals Angst zu haben, sondern sich davon nicht lähmen zu lassen.

„Wer ein Warum hat, erträgt fast jedes Wie“ – was Friedrich Nietzsche so prägnant auf den Punkt bringt, das ist für unsere Freiwilligen zentral. Was sie mitbringen müssen, das ist ihre ganz eigene Idee davon, wer sie sind und wer sie sein wollen. Dabei unterstützen wir sie, klären gemeinsam die Motivation, erinnern in schwierigen Zeiten an das ursprüngliche Brennen für den Gedanken der Einen Welt und stärken sie während des Einsatzes.

Wir können ihnen nicht vorgeben, was sie antreibt, können Berufung, Plan, Ziele nicht erzwingen und nicht jeder Einsatz als MaZ führt dazu, dass die RückkehrerInnen eine klare(re) Vorstellung davon haben, wer sie sind und sein wollen. Entscheidend ist der erste Funke Begeisterung, eine vage Idee, sich für andere einsetzen, über den eigenen Tellerrand hinausblicken zu wollen,– das brauchen unsere Freiwilligen. Diese Begeisterung gibt ihnen den Mut, erste Schritte ins Ungewisse zu gehen.

Für einen gelingenden Einsatz als MissionarIn auf Zeit braucht es Begeisterung, ein stabiles Netz an Beziehungen im Heimat- und Gastland, Vertrauen in sich selbst und in die eigene Idee.

Und Gott? Unsere jungen Leute gehen nicht einfach als Freiwillige, sie gehen als MissionarInnen auf Zeit und tragen damit einen Namen, der aufgrund der nicht immer friedlichen Geschichte der kirchlichen Mission durchaus umstritten ist. Sie entscheiden sich explizit dafür, mit einem kirchlichen Träger, einem Orden, ihren Einsatz im Ausland zu leisten und ein Jahr lang in einer religiösen Gemeinschaft zu leben. Auch in diesem Bereich können und wollen wir nichts erzwingen. Wir fordern keine bestimmte Religionszugehörigkeit oder Gebetserfahrung, aber ein Interesse daran, andere Ausdrucksformen von Glauben kennenlernen zu wollen. Die MissionarInnen versuchen, den Missionsbegriff für sich neu zu definieren, ihre eigene Mission mit dem Leben vor Ort in Einklang zu bringen und, aus einer christlichen Motivation heraus, ein Jahr ihres Lebens zu verschenken.

Die wenigsten Freiwilligen missionieren im herkömmlichen Sinne, werden im Gegenteil eher missioniert durch die bisher meist selten so erfahrene Intensität des Glaubens, die sie in ihrem Einsatzland vorfinden. Natürlich kann man auch in Deutschland lebendige Gottesdienste erleben, sicherlich finden sich auch in ihren Heimatorten intensive Feiern der kirchlichen Feste. Das Besondere liegt für die Freiwilligen in der Selbstverständlichkeit, mit der jede Messe von verschiedenen Chören begleitet wird, mit der kirchliche Festtage auch in der gesamten Gesellschaft gefeiert werden, mit der sich Gemeinschaftsleben für alle Altersschichten in der Gemeinde und der Kirche abspielt. Für unsere MaZ ist ihr Christsein in Deutschland fast schon etwas Exotisches, sie erleben ein selbstverständliches Sprechen von und über Gott unter Gleichaltrigen nur in Ausnahmefällen. In ihrem Einsatz aber treffen sie Menschen mit einem tiefen, selbstverständlichen Gottvertrauen auch angesichts schwieriger Lebensumstände. Hier erleben sie, dass auch sie jederzeit mit ihren Ängsten von Gott getragen sind. Sie erfahren ein stabiles Beziehungsnetz, in dem man im Gegenüber Christus, oder doch zumindest ein wertvolles Leben erkennt, unabhängig von Hautfarbe, Schulbildung oder Reisepass. Und so finden viele, je nach Vorerfahrung, im Einsatz ihr Glaubensfundament wieder, festigen es oder erleben eine Bereicherung.

Viele Freiwillige machen im Einsatz die Erfahrung, dass sie mit ihren Ängsten umgehen können, wenn sie sich selbst, den Menschen in ihrer Umgebung und Gott vertrauen. Einstimmig berichten die MissionarInnen auf Zeit, dass sie nach der Rückkehr sicher sind, ihr Leben meistern zu können, und dass es sich lohnt, für ihre Ideen zu kämpfen. Mit Begeisterung, Beziehungen und (Gott-)Vertrauen wird es gelingen.

-

Laura Küstermeier (MaZ in Malawi, 2014/15, rechts) und Kathrin Oel (MaZ in Indonesien, 2013/14, links) sind nach ihrem Freiwilligendienst den Franziskanerinnen Salzkotten treu geblieben und heute als Sozialarbeiterin bzw. Psychologin hauptamtlich für die Koordination und Begleitung im MaZ-Programm zuständig.


---

Freiwilligeneinsätze im Ausland

Es gibt in der katholischen Kirche zahlreiche Institutionen, Gemeinschaften und Organisationen, die Freiwilligeneinsätze im Ausland ermöglichen. Viele Bistümer haben Stellen, die Auslandsaufenthalte vermitteln. Es gibt aber auch eine Vielzahl an katholischen, gemeinnützigen Vereinen, die jungen Menschen einen Freiwilligendienst ermöglichen. Eine gute Anlaufadresse im Internet, um sich zu orientieren, ist:

www.welt-weit-freiwillig.de

Dahinter steht der Katholische Verbund Internationale Freiwilligendienste – ein Zusammenschluss aus ca. 50 überwiegend katholischen Organisationen mit zum Teil ganz unterschiedlichen Profilen. Sie alle verbindet, dass sie internationale Freiwilligendienste mit einer besonderen Haltung und mit einem besonderen Anspruch durchführen. Als Träger der Freiwilligendienste sind sie für die Auswahl, Vorbereitung und Durchführung der Dienste verantwortlich. Damit kümmern sie sich auch und vor allem um die Begleitung der Freiwilligen während der gesamten Einsatzzeit. Sie unterstützen die jungen Leute von Anfang an bei allen organisatorischen, inhaltlichen und persönlichen Anliegen.

Die Freiwilligendienste der katholischen Träger zeichnen sich dadurch aus, dass sie auf langjährige Partnerschaften setzen. Sie bereiten die Freiwilligen fundiert und mit ausgebildetem Fachpersonal auf ihren Dienst vor und begleiten sie, wobei auch die Nachbereitung einen hohen Stellenwert hat. Die Projekte werden in Ländern der Kontinente Afrika, Lateinamerika, Europa und Asien angeboten.

---

 

Kurzinfo zu MaZ:

Die MaZ-Freiwilligendienste gehören ebenfalls zu diesem Verbund. Katholische Missionsorden wie die Franziskanerinnen Salzkotten bieten jungen Erwachsenen zwischen 18 und 29 Jahren (in Ausnahmefällen auch darüber hinaus) die Möglichkeit, für ein Jahr in einer religiösen Gemeinschaft im Ausland zu leben, den einfachen Lebensstil zu teilen und in einem sozialen Projekt unentgeltlich mitzuarbeiten. Eine Übersicht über die verschiedenen Orden findet sich unter www.maz-freiwilligendienst.de.

Die MaZ der Franziskanerinnen arbeiten dort in Schulen, Rehabilitationszentren, Kinderheimen, im Hospiz oder in Kindergärten. Die Einsatzstellen liegen in Malawi, Indonesien, Indien, Osttimor und Rumänien. Weitere Informationen zum MaZ-Programm, zur Vorbereitung und Begleitung und den Einsatzstellen finden sich unter www.maz.fcjm.de.