12. April 2023

Werkheft 2023 Jetzt auf Lager

 

 

Wie kann die Kirche in unserer Zeit ihren Auftrag erfüllen? Papst Franziskus spricht in diesem Zusammenhang von einer „zuhörenden Kirche“. Das und die bedeutende Rolle des Hörens bei der Suche nach der eigenen Berufung brachte uns auf die Idee, das Thema „hören“ als Motto der Berufungspastoral über das Jahr 2023 zu stellen.

 

Wir haben dabei schnell gemerkt, dass uns das Thema „hören“ auf direktem Wege in ganz unterschiedliche Spannungsfelder führt: Ist eine zuhörende Kirche nicht zu wenig? Bloß vom Zuhören verändert sich doch nichts? Ich persönlich möchte Gott gerne hören, aber wie geht das? Man kann akustisch etwas wahrnehmen und bekommt es dennoch nicht mit, weil vielleicht mentale Blockaden vorhanden sind. Ist Hören etwas Aktives oder Passives? Und dann das größte Spannungsfeld: Wo soll man bei dem Thema anfangen und wo aufhören? Jeder einzelne Bereich wie Theologie, Musik, Spiritualität, Psychologie oder Seelsorge eröffnet unendlich viele Aspekte. .

 

Das alles hat uns jedoch nicht abgeschreckt, sondern vielmehr fasziniert. Vielleicht hilft die Lektüre des einen oder anderen Beitrags, sich selbst ein wenig in die Welt des Hörens hineinzuvertiefen.

 

Zwei Aspekte, die mir persönlich beim Thema „hören“ wichtig sind: Für eine lebendige Beziehung zwischen Gott und Mensch ist das Hören konstitutiv. Das fasst das schöne Wort aus Deuteronomium zusammen: „Hört und ihr werdet leben“ (Dtn 4,1). Spannenderweise geht es im Kontext dieses Wortes auch um die Zukunft des Volkes Gottes. Paulus schreibt an die Gemeinde in Rom, dass „[d]er Glaube vom Hören kommt“ (Röm 10, 17). Und Jesus sagt selbst: „Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wenn einer meine Stimme hört und die Tür öffnet, bei dem werde ich eintreten und Mahl mit ihm halten und er mit mir“ (Offb 3,20). Hören ist ein Premiumweg für Verlebendigung und Zukunft.

 

Der zweite Aspekt der mir beim Thema „hören“ wichtig ist: Hören als Grundhaltung. Hören beschreibt einen respektvollen Austausch. Ich höre und ich werde gehört. Kommunikation, ein Miteinander gelingt, wo es eben nicht vorrangig darum geht, die eigenen Aspekte zu artikulieren, sondern darum, die des anderen wahrzunehmen. Hören als Grundhaltung des In-Beziehung-Seins beschreibt einen Austausch, bei dem es also nicht darum geht, diesen selber zu leiten, ihn zu dominieren, recht zu haben, sondern bei dem ich interessiert bin an dem, was zu hören ist, und dabei ebenso etwas zu sagen haben kann, das für andere von Interesse ist. Hören ist damit mehr als das Aufnehmen von akustischen Signalen. Hören meint die Bereitschaft, mich mit dem anderen auf einen Veränderungsprozess einzulassen. Hören nimmt den anderen in den Blick und öffnet für Gemeinschaft. Hören in diesem Sinne verändert.

 

Hören im menschlichen Miteinander und in der Beziehung zu Gott ist eine Kunst, die man lernen kann – und die im Lernen lebendiger wird. Dazu will die Suche nach Berufung einladen: lebendiger, leidenschaftlicher, engagierter zu werden. Ich glaube, Papst Franziskus zeigt mit dem Bild einer zuhörenden Kirche einen spannenden Weg in unserer Zeit auf. Ich hoffe, die Anregungen lassen Sie im Sinne von Hartmut Rosa „aufhören“ – und laden Sie ein hinzuhören: auf sich selbst, auf andere und auf Gott!

 

Ihr Pater Clemens Blattert SJ