„Jesus ist radikal. Er gibt alles und verlangt alles: er gibt totale Liebe und verlangt ein ungeteiltes Herz. Wir können ihn nicht mit zwanzig, fünfzig oder sechzig Prozent lieben. Entweder alles oder nichts.“

 

 

Mit diesen Worten stellte Franziskus in seiner Predigt bei der Papstmesse auf dem Petersplatz den Gläubigen ihre Berufung vor Augen – ihre „universale Berufung zur Heiligkeit“, die uns die Heiligen in vorbildlicher Weise vorgelebt haben.

Die gemeinsame Eucharistiefeier auf dem Petersplatz mit zehntausenden Gläubigen aus der ganzen Welt und die Heiligsprechung von Sr. Katharina Kasper, Oscar Romero, Paul VI. u.a. liegt nun schon zwei Tage zurück. Und sie war einer der Höhepunkte dieser Tage in Rom, die die Weltbischofssynode „Die Jugend, der Glaube und die Berufungsunterscheidung“ begleiten.

Der Aufruf des Papstes, Jesus „als Verliebte“ zu folgen, ist das Zentrum jeder gelebten Berufung, mit der sich die Synode in Rom in vielfältiger Weise und im gezielten Blick auf die Jugend beschäftigt.

 

 

Die zweite Synodenwoche ist in vollem Gange!

Die synodalen Beratungen gehen in drei Schritten voran, die auch das vorbereitende instrumentum laboris geprägt haben. Im ersten Teil während der ersten Synodenwoche ging es um eine gründliche Betrachtung und Analyse der Lebenswelt junger Menschen. Der zweite Teil, in dem wir uns derzeit befinden, sucht die gewonnenen Erkenntnisse in ihrer Bedeutung für die Kirche zu interpretieren – bevor dann zum Ende der Synode im dritten Teil konkrete Schlussfolgerungen für die Pastoral der Kirche gezogen werden sollen und das Abschlussdokument erarbeitet wird.

Es werden eifrig Relationes und Modi verfasst, es gibt Vortrag, Austausch und Diskussion. Aktuell behandeln die Synodenväter auch die Frage, wovon wir sprechen, wenn von Berufung die Rede ist.

Die deutschen Synodenväter sind Kardinal Reinhard Marx (München und Freising), Bischof Felix Genn (Münster), Bischof Stefan Oster (Passau) und Weihbischof Johannes Wübbe (Osnabrück). Als Experte wurde außerdem P. Clemens Blattert SJ (Frankfurt/Main) geladen. Als Auditoren nehmen aus Deutschland Thomas Andonie als Vertreter des Bundes der Katholischen Jugend und Julia Brabant als Vertreterin des Lutherischen Weltbundes teil. Paul Metzlaff von der Arbeitsstelle für Jugendseelsorge unterstützt darüber hinaus die Arbeit des Synodensekretariates, insbesondere im Bereich social media.

Deutschland ist also gut und breit vertreten unter den Teilnehmern und Teilnehmerinnen der Synode, bei der insgesamt 267 Bischöfe, 23 externe Fachleute und 49 Gasthörer in Rom zusammenkommen.

Eine zentrale Aufgabe, die die Synode der Kirche erteilt, ist die Begleitung der jungen Menschen – auf Augenhöhe. Dies impliziert eine klare Perspektive, die die Kirche in der Begegnung und im Umgang mit Jugendlichen einnehmen soll. Es geht darum, den Jugendlichen zuallererst aufrichtig und ernsthaft zuzuhören und darauf aufbauend mit ihnen „auf dem Weg zu sein“ – und nicht etwa darum, ihnen unmittelbar mit vorgefertigten Argumenten und Maßgaben gegenüberzutreten. „Das Wort Gottes ist nicht nur eine Sammlung von Wahrheiten oder eine erbauliche spirituelle Erzählung, nein, es ist lebendiges Wort, das das Leben berührt, das es verwandelt.“, so sagte es Papst Franziskus in seiner Predigt am Sonntag. Letztlich geht es genau darum: nicht den Jugendlichen gesammelte Wahrheiten zu präsentieren, sondern sie in eine echte Begegnung mit Jesus zu führen, die ihr Leben berührt und verwandelt. Es reicht nicht, sich „mit einigen Geboten“ zu begnügen; wir wollen Jesus „als Verliebte“ folgen, „die wirklich bereit sind, für ihn etwas aufzugeben“.

Authentizität ist ein wesentliches Merkmal einer solchen Begleitung, die sich auch die Jugendlichen selbst (in der Vorsynode) von der Kirche und ihren Vertreterinnen und Vertretern erhoffen. Begleitung wird somit als eine Zentralkategorie der Berufungspastoral offensichtlich.

Grundlegend ist dabei ein unverzerrter Blick auf die Lebensrealität junger Menschen. Das Bemühen, diese Lebenswirklichkeit wahrzunehmen, zu erkennen, was diese ausmacht und prägt, und sie nicht sogleich einseitig zu bewerten, ist bereits dem instrumentum laboris zu entnehmen. Und es prägt auch einige Relationes, die in der Synodenaula vorgetragen werden. Es geht darum, sich aufrichtig die Frage zu stellen, was die Kirche aus der Lebenssituation der jungen Leute selbst lernen kann und welche Fragen und Aufgaben sich daraus für die Pastoral der Zukunft in der Kirche ergeben.

Für die Berufungspastoral lässt sich infolge der Synode auf eine weiterführende Auseinandersetzung mit dem Berufungsbegriff hoffen, auf eine Klärung, was es gerade für die Jugendlichen heißt, ihre Berufung in die Nachfolge Jesu im Alltag zu leben, auf eine Klärung, was die allgemeine Taufberufung und die Berufung zum geweihten Leben verbindet aber auch unterscheidet und in welchem Verhältnis sie zueinander stehen.

Im Blick auf einige Fragen an die Synode, die ihr Jugendliche selbst mit auf den Weg gegeben haben, entwickeln sich in der Synodenaula lebhafte Diskussionen – etwa wenn es um Lehren der Kirche geht, die viele Jugendliche nicht mehr verstehen, da sich ihre Lebenswirklichkeit und die Positionen der Kirche stark auseinanderentwickelt haben. Dies betrifft u.a. Fragen der Sexualmoral und konkret auch die Rolle der Frau in Kirche und Gesellschaft. In der Synode gibt es hierzu Stellungnahmen, die von rein männlichen Machtstrukturen innerhalb der Kirche Abstand nehmen wollen. An anderer Stelle, etwa im Blick auf Ehe und Familie, wird deutlich, dass die Kirche neue Formen der Verkündigung ihrer Lehre finden muss, wenn sie die Jugendlichen erreichen will.

 

So erfüllt die Synode letztlich mindestens zwei „Funktionen“:

Zum einen will sich die Kirche von der Kreativität und Lebendigkeit der Jugendlichen aufrütteln und in Frage stellen lassen, will das Potential der jungen Menschen nutzen, um selbst neuen Schwung zu erhalten. Und sie bekennt sich dazu, dass die Jugendlichen selbst Akteure der Kirche sind und sein sollen.

Zum anderen ruft sie die Kirche in die Verantwortung, den jungen Menschen auf ihrem Weg ins Leben beizustehen, ihnen Orientierung zu geben und ihnen die Freude des Glaubens zu erschließen.

So hat hier in Rom ein hoffnungsvoller Prozess seinen Anfang genommen, der hoffentlich fruchtbar werden kann für eine gelingende Zukunft der Kirche.

 

 

Ergänzende Hinweise:

Einen sehr unmittelbaren Zugang zum Geschehen in der Synode ermöglicht auch der Blog von P. Clemens Blattert SJ auf der Internetseite von Vatican News: https://www.vaticannews.va/de.html

Informationen mit aktuellen Eingaben zur Synode gibt es auf der Seite der Deutschen Bischofskonferenz: https://dbk.de/themen/kirche-und-jugend/bischofssynode-jugend-2018/

Aus Anlass der Synode haben die Ordensgemeinschaften einen Kommunikationsschwerpunkt „Berufung – Gottes Lebensprojekt mit uns“ gewählt. Weitere Informationen finden Sie hier: http://www.orden.de/aktuelles/themen/berufung-gottes-lebensprojekt-mit-uns/